Presseschau: Geschichte einer Bekehrung

Oratorium "Paulus" von Felix Mendelssohn-Bartholdy in St. Johannis

Schweinfurt, 23.11.2013. Bedenkt man, dass erst in den späten sechziger Jahren die Werke eines der bedeutendsten Komponisten seiner Zeit wieder Einzug in das Repertoire von Kirchenkonzerten hielt, mag man es für einen Glücksfall halten, dass das Oratorium Paulus von Felix Mendelssohn-Bartholdy in St. Johannis zur Aufführung gelangte.

Andrea Balzer hatte sich für eine Aufführung ohne Orgel entschieden, gleichwohl hinterließ das Werk in der gut gefüllten evangelischen Hauptkirche in Schweinfurt einen tiefen Eindruck. Die Kantorei St. Johannis, das Kammerorchester Pfaffenhofen, die Jungen Stimmen Schweinfurt und die Solisten Anna Haase, Juan Lopez und Sven Fürst trugen das große Werk bis zum majestätischen Lobpreisungs-Schlusschor.

Das Kammerorchester Pfaffenhofen, bereichert durch eine hervorragende Holzbläsergruppe und fanfarengleiche Blechbläser, überzeugte dieses Mal vor allem durch die tiefen Streicher.

Profund vorbereitet gefiel die Kantorei vor allem in den Turba-Chören. Die Stimme des Volkes im hasserfüllten „Steiniget ihn!“ und „Ist das nicht, der zu Jerusalem verstörte“ übernahm sie ebenso lebendig, wie sie mit viel Innerlichkeit die Choräle zu meditativen Haltepunkten machte. Mit einer archaischen Farbigkeit verschmolzen Kantorei und Orchester im Chor der Heiden „Seid uns gnädig, hohe Götter“, als Flötengirlanden das Thema zum Blühen brachten. Zum unumstrittenen Höhepunkt geriet jedoch das Damaskus-Erlebnis, die Szene, in der Saulus seine Bekehrung erfährt und damit die radikale Wendung seines Lebens einleitet. Den vierstimmigen Frauenchor hatte Andrea Balzer mit den Jungen Stimmen Schweinfurt besetzt, ein genialer Griff, denn diese strahlend klaren, in dem Fall fast überirdisch schönen Stimmen, hoben die Berufung des Saulus zum Verkünder des Christentums aus dem gesamten Werk heraus. Die an verschiedenen Stellen wiederkehrende Lichtsymbolik wurde hier in Klang verwandelt. [...]

Andrea Balzer hielt den Spannungsbogen des über weite Strecken kontemplativen Werkes. Mit der großartigen musikalischen Umsetzung verhalf sie Mendelssohns Auseinandersetzung mit der Geschichte eines, der sich von den religiösen Wurzeln abkehrt und zum christlichen Glauben findet, zu einer stimmigen Deutung. Am Ende gab es langen, dankbaren Applaus.

(aus: Schweinfurter Tagblatt vom 26.11.2013, S. 27; Text: Erna Rauscher)