Gespräch mit Chefärztin Dr. Susanne Röder - Palliativstation St. Josef-Krankenhaus
Schweinfurt, 17. Juli 2012. „Palliativmedizin ist ein Ansatz zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten und ihren Familien, die mit den Problemen konfrontiert sind, die mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung einhergehen.“ So definiert korrekt, wenngleÃch etwas trocken die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Profession von Chefärztin Dr. Susanne Röder.
Nachdem die evangelische Krankenhausseelsorge-Konferenz auf ihrer Palliativ-Station im Akutkrankenhaus St. Josef getagt hatte und damit die erste intensivere Kontaktaufnahme erfolgt war, traf sich Frau Dr. Röder nun zu einem persönlichen Gespräch mit Dekan Oliver Bruckmann in dessen Büro.
Zunächst stellte sie sich und ihre Einrichtung vor: zehn Betten, zwei Wohnzimmer, ein Andachtsraum, ein Abschiedsraum – also ein überschaubarer, persönlich-familiär geprägter Bereich, der so etwas wie Geborgenheit vermitteln wolle. Zusammen mit ihrer Stellvertreterin Dr. med. Ulrike Schmier, Fachärztin für Anästhesie, und 25 MitarbeiterInnen betreut sie dort ihre Patienten und deren Angehörige, die entweder mit im Krankenzimmer oder in einem separaten Appartement untergebracht sind. Im Durchschnitt beträgt die Aufenthaltsdauer zehn Tage. Danach werden die Patienten wieder temporär nach Hause entlassen oder in ein Pflegeheim bzw. Hospiz überstellt.
Dr. Röder legt großen Wert auf die Unterscheidung zwischen Hospiz-Pflege und Palliativ-Care. Zwar gehe es in beiden Einrichtungen um Menschen mit nur noch begrenzter Lebenserwartung, doch sei das Hospiz eine Pflegeeinrichtung, in der Schwerstkranke mit absehbarem Lebensende, etwa noch ein halbes oder auch ein ganzes Jahr, stationär betreut würden. Hingegen handele es sich bei der Palliativ-Versorgung um eine Sonderform der Krankenhaus-Behandlung. Primär würden hier Leiden therapiert. „Vor allem Atemnot, Schmerzen, Übelkeit, Schlaflosigkeit und Angst gilt es zu lindern“, erklärte Dr. Röder. „Viele haben keine Angst vor dem Tod, aber vor den Qualen des Sterbens.“ So wird palliativ, „lindernd“, gehandelt, wörtlich aus dem Lateinischen übersetzt: „mit dem Mantel umhüllt“.
Im Blick auf die Angehörigen ist Aufklärung über den richtigen Umgang mit ihren Kranken und nicht zuletzt auch Trostspenden wichtig. Für diese ist, wie eben für die meisten Menschen, der Tod bis dato ein Tabuthema gewesen.
Schon gar nicht mag deshalb die Chefärztin den Ausdruck „Sterbeklinik“ hören. Zwar würden auch Menschen auf ihrer Station sterben, doch stehe die Vermittlung von Lebensqualität für die letzte irdische Etappe im Fokus. „Nicht dem Leben mehr Tage geben, sondern den Tagen mehr Leben“, lautet ihr Motto, das einst Cicely Saunders, die Initiatorin der weltweiten Hospizbewegung und Palliativmedizin, prägte und das Dr. Röder in vielen Vorträgen landauf landab zitiert.
Darum bewertet sie Seelsorge und damit die Rolle des Seelsorgers überaus hoch, zumal Palliativ-Medizin einen ganzheitlichen Ansatz verfolge: physisch, psychisch, pflegerisch, sozial und eben auch seelsorgerlich. Sie würde es sehr begrüßen, wenn – analog zur katholischen Präsenz – auch von evangelischer Seite ein regelmäßiger, wöchentlicher Besuchsdienst auf ihrer Station etabliert würde, zumindest ein kirchlicher Ansprechpartner mit verbindlicher pfarramtlicher Rufbereitschaft bereit stünde. „Die Präsenz der Kirche ist ausdrücklich erwünscht“, betont sie mehrfach. „Schön wäre es, wenn ein Pfarrer oder eine Pfarrerin zum Segnen kommen könnte.“ Sie betet auch des Öfteren mit Patienten und versucht ihnen Kraft und Gelassenheit zu vermitteln. Ohne eigenen festen Glauben, gibt sie ehrlich zu, würde sie diese Arbeit nicht machen können.
Und wie „verkraftet“ sie überhaupt ihren Dienst? In gewissen Abständen wird auf ihrer Station ein sog. Abschiedsritual praktiziert - mit brennenden Kerzen in einer Schale im Gedenken an die im Haus Verstorbenen. Sie selbst muss sich regelmäßig einem externen Supervising unterziehen. Ja, vielleicht sieht auch mancher sie privatissime entspannt Fahrrad fahren. Jedenfalls lebt sie ihre Tage bewusst und achtsam im Wissen darum, dass jeder der letzte sein könnte.
Die wenigen Plätze auf ihrer Station sind meist voll belegt. Weitere Palliativeinrichtungen im Umkreis Schweinfurts gibt es in Würzburg, Bamberg, Coburg und Bad Neustadt.
Gewisse Sorgen bereitet Dr. Röder jedoch die bevorstehende Umstellung auf das DRG-Klassifikationssystem ab August 2012. Mittels dieses fallbezogenen Systems werden die an Patienten erbrachten Leistungen anhand registrierter Haupt- und Nebendiagnosen mit den Kostenträgern abgerechnet. Freilich dürften Wirtschaftsdenken und Bürokratismus nicht zum Nachteil medizinisch-ethischer Kompetenz und menschlicher Zuwendung gereichen.
Abschließend sicherte der Dekan der Chefärztin zu, schnellstmöglich für die evangelische Seelsorge in ihrem Hause Sorge zu tragen.