Verabschiedung von Pfarrerin Claudia Weingärtler
Bad Kissingen, 23. September 2015. Auffallend still war es im Kirchenrund während dieses abendlichen Abschiedsgottesdienstes. Statt des gewohnten Mittwochsgespräches hatte Pfarrerin Claudia Weingärtler in die Erlöserkirche eingeladen. Nach 15 Jahren als Kur- und Reha-Seelsorgerin in rund 30 Häusern der fränkischen Kurstadt wird sie am 1. Oktober eine neue Stelle als Klinikseelsorgerin in Augsburg antreten, und zwar im Großklinikum in Westheim vor den Toren der Schwaben-Metropole.
„Aufbruch“ lautete daher ihr Gottesdienstthema, - ein Thema, „das unser ganzes Leben durchzieht“. Am Anfang stand eine Meditation, um innerlich still vor Gott zu werden. „Spüren Sie der Atmosphäre dieses Raumes nach! Hier ist Gott mitten unter uns“, so die Pfarrerin. Dezente Harfenklänge von Luigi Antonio Parente, der schon manche ihrer Andachten begleitet hatte, untermalten diese besinnliche Phase. Auch das Gemeindelied „Lobe den Herrn, meine Seele, und seinen heiligen Namen“ hatte sie sich gewünscht, denn dieses sei zu ihrer Ordination gesungen wurden.
Ebenso autobiographisch gefärbt war ihre Predigt, die dem persönlichen Rückblick wie dem Ausblick galt: Sie drehte sich um Gottes Aufbruchsbefehl an Abraham, dem dieser ohne Zögern gehorchte (1. Mose 12,1-4a). „Es ist erstaunlich: Menschen bleiben lieber beim vertrauten Alten, statt sich auf unbekanntes Neues einzulassen.“ Diese Lebensweisheit hatte sie von ihrem Seelsorge-Lehrer Peter Frör bei ihrer KSA-Zusatzausbildung im Klinikum Großhadern gelernt. Und es sei tatsächlich so: Man verändere sein Leben nur ungern. Denn jeder persönliche Neuanfang mache Angst. Auch unser Alltag verstelle den Blick. Wie oft höre man: „Man müsste, man sollte“, aber letztlich ändere sich nichts. Selbst Patienten blieben oft bei guten Vorsätzen stehen, ohne sie nach ihrer Genesung einzulösen.
Auch sie frage sich, ob sie die neuen Herausforderungen in Augsburg meistern werde. Deshalb Abraham als Vorbild: Er vollzog den radikalen Aufbruch, obwohl er nicht einmal das neue Ziel kannte. Er war von der Verheißung Gottes getragen. Abraham wurde zum „Vater des Glaubens“, weil Glaube und Aufbruch zusammengehören. „Erst der Glaube befähigt uns zum Aufbruch aus dem Alten, das nicht mehr gut ist.“ Abraham sei „lebenssatt“ gestorben. So könne nur derjenige sterben, der seine Hoffnung verfolgte und Aufbrüche in seinem Leben wagte.
Bestimmt hat Pfarrerin Weingärtler diese Mutmachpredigt zugleich für sich gehalten. Rückschauend konstatierte sie, dass das hiesige Arbeitsfeld ihr viel Freude bereitet habe. Besonders werde sie die Zusammenarbeit mit den Ehrenamtlichen vermissen, ebenso die Beziehungen zu ihren evangelischen und katholischen Kolleginnen und Kollegen.
In seiner Ansprache würdigte Dekan Oliver Bruckmann noch einmal die Leistungen der Pfarrerin: Sie habe Pionierarbeit vollbracht. Denn im Jahr 2000 gab es die Kissinger Stelle für evangelische Klinik- und Kurseelsorge noch gar nicht. Zunächst musste sie Überzeugungsarbeit leisten, „Klinken putzen“ und das ökumenische Gespräch suchen. Die erst 2003/4 etablierte Pfarrstelle teilte sie dann mit ihrem Mann Pfr. Wolfgang Ott. Die Pfarrerin habe „Seelsorge auf höchstem Niveau“ geleistet, vielen Menschen geholfen, seelisch wieder sprachfähig zu werden, und das Thema „Gesundheit und Krankheit / Tod und Leben“ immer wieder in die Kirche eingebracht und sich auch auf landeskirchlicher Ebene engagiert. Bruckmann wünschte ihr und ihrer Tochter Selina „einen gelingenden Abschied und einen leichten, fröhlichen Neubeginn“. Sodann segnete er beide vor dem Altar und entpflichtete die Pfarrerin von ihren Dienstaufgaben in Bad Kissingen.
Das populäre Lied „Vertraut den neuen Wegen, auf die der Herr uns weist“ markierte das Ende des Gottesdienstes. Auch in den sich anschließenden zahlreichen Grußworten wurde Frau Weingärtler hoch gelobt. So dankte ihr die Vertrauensfrau des Kirchenvorstands, Marie-Luise Biedermann, für die sehr wertvolle private Freundschaft und dafür, dass sie oft „wie eine Löwin“ für ihre Ideen gekämpft habe. Oberbürgermeister Kay Blankenburg, ebenfalls Kirchenvorsteher, betonte im Namen der Stadt, Weingärtler habe „geackert auf allen Ebenen“, „Kärrnerarbeit geleistet“ und „der Krankenhaus-Seelsorge ein Gesicht – „Ihr Gesicht“ - gegeben. „Sie hinterlassen große Schuhe!“
Senior Pfr. Dr. Wolfgang Weich wünschte ihr im Namen des Pfarrkapitels einen guten Neuanfang: „Alles hat seine Zeit. Trotzdem werden wir dich vermissen.“ Die katholische Gemeindereferentin Gabriele Ammann, die seit 2009 zusammen mit Pfrin. Weingärtler den Besuchsdienst organisiert und ökumenische Gedenkfeiern gehalten hatte, bekundete: „In den wesentlichen Momenten des Lebens spielt die Konfession keine Rolle.“ Ihrer Kollegin gab sie den wertvollen Rat mit: „Es gibt einen Weg, den niemand geht, wenn Du ihn nicht gehst.“ Und Pfarrerin Susanne Rosa, Mitglied der Seelsorgekonferenz des Dekanates Schweinfurt und im Beirat der AG Evangelische Krankenhaus-Seelsorge Bayern, dachte ganz praktisch und überreichte der Scheidenden den Sprachführer „Schwäbisch für Anfänger“ und „Wandertipps rund um Augsburg“.
Eine lange Menschenschlange bildete sich, um per Shakehands persönlich von der Pfarrerin Abschied zu nehmen und ihr ebenfalls zu danken; zum Beispiel hörte man: „Sie haben mich wieder in die Kirche gebracht“ oder: „Die Worte, die Sie bei jener Beerdigung fanden, hätte ich niemals finden können.“ Etliche weinten sogar, aber sie verstanden, dass man Abraham ins Neuland folgen sollte, - nein: folgen muss!
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Ein Gruß aus Ausgburg: