Beten mit den Füßen

Rom-Pilger machen Zwischenstation in Schweinfurt

Dekan Oliver Bruckmann (r.) inspiziert den Wanderstab, den Werner Binnen durch Bayern trägt

Schweinfurt, 30./31. Juli 2015. Spätestens seit dem Bestseller „Ich bin dann mal weg“ von Hape Kerkeling ist der „Camino“, der Jakobus-Pilgerweg nach Santiago de Compostela, den meisten bekannt und überaus gut frequentiert.

Via Romea heißt ein anderer, nur wenigen geläufiger Weg, nämlich die Reiseroute des Abtes Albert: Von seinem Benediktinerkloster zur Heiligen Jungfrau Maria in Stade, an der unteren Elbe gelegen, war er 1236, mit einem Umweg über Frankreich, nach Rom zu einer Audienz bei Papst Gregor IX. in Sachen Klosterreform gereist.

Später hat Albert in seinen „Stader Annalen“, unter vielem anderen, die Heimreise von Rom über die Alpen, Süd- und Norddeutschland mit Nennung der Stationen und genauen Entfernungsangaben der Teilstrecken beschrieben, in Unterfranken: Ochsenfurt – Würzburg – Schweinfurt – Münnerstadt – Bad Neustadt.

Auf Alberts Spuren, nur in genau umgekehrter Richtung, verläuft zurzeit die Route einer Wandergruppe aus Norwegen. Am 22. April 2015 begann ihr Pilger-Staffellauf in Trondheim mit dem Ziel, am 14. Oktober Rom zu erreichen. Einige wollen noch weiter nach Jerusalem, und zwar zunächst per Flugzeug von Rom nach Tel Aviv, von dort mit dem Bus nach Nazareth und dann zu Fuß in die Stadt der drei monotheistischen Weltreligionen, wo sie am 28. Oktober einzutreffen hoffen.

Die Initiative nennt sich „Pilgrims crossing borders“ („Pilger überschreiten Grenzen“). Sie tritt ein für Frieden, Völkerverständigung und Toleranz. Grenzen würden nur in der Köpfen der Menschen existieren.

Koordinator und Organisator des Weges in Süddeutschland ist Werner Binnen, Physiotherapeut in Ochsenfurt. Ihm ist es um die Wiederbelebung der Via Romea und um ihre Anerkennung als europäischer Kulturweg zu tun. Binnen trägt auch den offiziellen Pilgerstab, in den die Symbole der drei Weltreligionen geschnitzt sind: Kreuz, Davidstern und Mondsichel mit Stern. Am 25. August wird er in Mittenwald an der österreichischen Grenze dessen Übergabe an die nächste Staffel vornehmen.

Bekanntlich ist Pilgern „Beten mit den Füßen“, ein geistliches Unterwegssein. Auch wenn die Gruppe dies nicht überbetont, so weiß doch jede und jeder, dass man seine eigene Spiritualität mitbringen muss. Zudem finden Wanderer in einer schnelllebigen Zeit zur Kultur der Besinnlichkeit und Langsamkeit zurück. Sprecher Werner Binnen nennt als Motivation: „Wir sind auf der Suche nach Menschen guten Willens. Gerade im Gleichklang der gemeinsamen Schritte nimmt man die elementaren Gemeinsamkeiten wahr, und die Differenzen verlieren sich.“

Am Donnerstagnachmittag erreichten sie auf ihrer Tour, von Münnerstadt kommend, Schweinfurt: 15 Frauen und Männer, Jüngere und Ältere, von denen aber längst keiner mehr seit dem Start in Trondheim dabei ist. Immerhin: Ein Arzt für Innere Medizin aus Hamburg will bis zum Brenner mit. Multilingual geht es zu: In der Gruppe befinden sich drei Italiener aus Bologna und Ravenna und ein Kanadier, der in Schmalkalden zur Gruppe gestoßen ist.

Da die Pilger den interreligiösen Dialog fördern wollen, hat die Arbeitsgemeinschaft christlicher Kirchen in Schweinfurt (AcK) am Besuchsprogramm mitgearbeitet und verschiedene Dienste und Werke, auch Kirchen und Religionsgemeinschaften um Kooperation gebeten.

Gülistan Cinkelic, eine der Vorstandsfrauen des Internationalen Begegnungszentrums für Frauen e.V. (IBF) in der Oberen Straße, freute sich daher sehr darüber, dass die Pilger gerade in ihrer vor zehn Jahren gegründeten Einrichtung, die sich für ein Miteinander von Frauen aus unterschiedlichen Kulturkreisen stark macht, Station machten. Ihre Kolleginnen warteten mit Kaffee, türkischem Tee, Ayran und Kuchen auf. „Es ist wie beim Abendmahl“, meinte Binnen. „ER ist mitten unter uns.“

Im Namen der AcK und des Evangelisch-Lutherischen Dekanats Schweinfurt begrüßte Dekan Oliver Bruckmann die Gruppe: Pilger würden nicht nur Grenzen, Gemeinden, Länder überschreiten, sondern auch Grenzen der Konfessionen, ja sogar der Weltreligionen. Gott aber bleibe immer derselbe. Für ihn gebe es keine Grenzen. „Gott segne eure Pilgerschaft und euren Weg bis zum Ziel.“

Eine gewisse Grenzüberschreitung bedeutete auch das Abendessen an der Gutermannpromenade, denn das Main-Café ist ein Integrationsbetrieb der Lebenshilfe Schweinfurt.

Die Gruppe nächtigte im Jugendgästehaus. Am Freitagmorgen verabschiedete Pfarrer Dr. Wolfgang Weich / Christuskirche, AcK-Delegierter, die Pilger auf dem Marktplatz mit dem Reisesegen. Am Rückert-Denkmal stellten sich alle im Kreis auf, auch die Zweite Bürgermeisterin Sorya Lippert reihte sich mit ein und grüßte im Namen der Stadt. Die Pilger bekamen als symbolischen Wanderstab einen Anhänger mit Kreuz, Anker und Herz für Glaube, Hoffnung, Liebe überreicht, denn "mit diesem Wanderstab kann man gut durchs Leben gehen", so Pfarrer Weich. Passend dazu das gemeinsame Lied „Vertraut den neuen Wegen“.
Die weiter ziehenden Pilger werden nun auf ihrem Weg über Bergtheim nach Würzburg und Rothenburg durch Schweinfurter und andere Mitwanderer aus der näheren Umgebung verstärkt.
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