Vesperkirche 2017
Schweinfurt, So., 22. Jan. 2017. Einigermaßen pünktlich – gegen 11.40 Uhr – wurde das von vielen sehnsüchtig erwartete akustische Signal gegeben: Mit einem Gongschlag gab Pfarrerin Gisela Bruckmann den Weg zu den Tischen frei. Dank der PlatzanweiserInnen verlief aber alles in geordneten Bahnen. Die zweite und dritte Essensgruppe musste sich freilich noch länger in den Kirchenbänken gedulden, ehe Plätze an den Tafeln frei wurden. Am Ende dieses ersten Öffnungstages der nunmehr dritten Vesperkirche in Schweinfurt waren 350 Essen serviert worden. 60 Mitarbeitende hatten die Premiere souverän gemanagt. Doch wieder stehen den insgesamt über 300 ehrenamtlichen Gastgeberinnen und Gastgebern drei lange Wochen bevor, ehe am 12. Februar die Rückwidmung der Vesperkirche in die „normale“ St. Johanniskirche erfolgen wird.
Den Auftakt bildete der übliche Sonntagsgottesdienst um 10.30 Uhr, der diesmal natürlich thematisch auf diese Aktion bezogen war. Bereits in der Begrüßung der Gemeinde sowie der vielen, teils von weither angereisten BesucherInnen erinnerte Pfarrerin Bruckmann an das längst etablierte Motto „Miteinander für Leib und Seele“: Jesus, der Mensch Gewordene, habe vorgelebt, Nahrung für Seele und Leib zu teilen.
Dekan Oliver Bruckmann aktualisierte ein Heilungswunder Jesu für den konkreten Kasus: In unserer Gesellschaft gebe es zwar faktisch ein Oben und ein Unten, aber das Wunder bestehe darin, „dass keiner durchfällt und verloren geht“, wenn wir gemeinsam das tägliche Brot, aber auch unsere Hoffnungen, Freude, Ängste, Lachen und Weinen miteinander teilten. Überhaupt sei die Vesperkirche ein Wunder: „Gott selber sorgt sich für und um uns.“ Natürlich lasse sich trotz der Vesperkirche die Not nicht aus der Welt schaffen, aber diese Aktion stärke den Glauben und das Vertrauen, dass Gott keinen Menschen verloren gebe.
Der Dekan rekapitulierte eine vor fünf Jahren durchgeführte Umfrage unter aus der Kirche Ausgetretenen, die darüber geklagt hatten, dass sich Kirche zu wenig um Gerechtigkeit kümmere. Die Vesperkirche widerlege aber dieses Urteil. Sie gebe der Kirche ein neues Gesicht und sei ein Zeichen, „dass wir Hüter des Lebens sind“ und „Freude und Leid so teilen, dass keiner zu kurz kommt.“ „Somit ist Vesperkirche uns zum Gewissen geworden: So soll es zugehen bei uns: aneinander Anteil geben und nehmen.“ Ja, Vesperkirche sei sogar ein Stück vorweggenommenes Himmelreich, auch wenn die 49 vesperkirchenlosen Wochen im Jahr zeigten, dass wir uns noch nicht im Himmel befänden.
Musikalische Zwischenstücke von KMD Andrea Balzer an der Orgel zusammen mit Flötist Dr. Thomas Reinecke sorgten für kontemplative Momente, denn im Eingangsbereich der Kirche drängten bereits immer weitere Essensanwärter von draußen nach innen. Pfarrerin Bruckmann und Diakonievorstand Pfr. Jochen Keßler-Rosa stellten deshalb rasch St. Johannis offiziell in den Dienst einer Vesperkirche und erbaten dazu Gottes Segen.
Es folgte “the same procedure as every yearˮ - routiniert und professionell, doch betont freundlich, mit Übersicht und auf Augenhöhe zwischen Gastgebern und Gästen. Manches Personal in Restaurants könnte sich davon viel ins Bedienungsstammbuch schreiben.