Ein diakonisch-kirchliches Gesamtkunstwerk
Schweinfurt, 12. März 2015. Diesmal kostete das Essen nicht einmal 1,50 Euro, sondern gar nichts! Helferdank nennt man das landläufig: dass auch Ehrenamtlichen nach abgeleisteter, nicht selbstverständlicher Arbeit entsprechend gedankt wird.
Nur: Der Gemeindesaal des Martin-Luther-Hauses war einfach zu voll. Bestimmt an die 200 Geladene waren gekommen, an drei langen Tischreihen platziert, um den gebührenden Dank, 34 Tage nach Ende der Vesperkirche, von den Verantwortlichen entgegenzunehmen. Man stelle sich vor, die Vesperkirche hätte, wie es manche Kritiker forderten, nicht in der St. Johannis-Kirche, sondern nur im Gemeindehaus stattgefunden! Ein Ding der Unmöglichkeit!
Wie es sich ziemt, begann der Abend mit einer Andacht von Pfarrer Martin Dorner, der noch einmal – wie so oft – eigens aus Nürnberg angereist war. Er betreut das Vesperkirchenprojekt im Diakonischen Werk Bayern und hat viele Impulse für die Premiere in Schweinfurt gegeben und seinerseits Anregungen erhalten. Feiern, so betonte er, sei Kennzeichen menschlicher Kultur. Feiern unterbreche die Alltagsroutine, leite unsere Gedanken über das Banale hinaus, nehme das Wesentliche in Augenschein. Rückblickend stellte er fest, dass die Vesperkirche schnell zum Stadtgespräch geworden und eben keine Pflichtveranstaltung oder Routine gewesen sei. Dorner erinnerte sich vor allem an „die unglaubliche Fülle an Essen“ und an „den unglaublichen Ausdruck an Wärme, Zuneigung, Offenheit, an Lachen und Ideen.“
„Was ist Vesperkirche für mich?“ fragte er abschließend und antwortete summarisch: „Fest und Gottesdienst gleichzeitig, ein Vorgeschmack auf das Reich Gottes, eine Unterbrechung des Alltags, soziales Handeln und zweckfreie religiöse Feier.“
Dann ergriff Pfarrer Jochen Keßler-Rosa, Vorstand des Diakonischen Werkes Schweinfurt, im Namen der zehnköpfigen Projektgruppe das Wort. Auch er wurde sehr persönlich: Er habe viel gelernt über das (wahre) Leben und sei dafür „unglaublich dankbar“. Oft sei er auf der Straße beglückwünscht worden: „Ich gratuliere Ihnen“ – eben für das, was da auf die Beine gestellt wurde. Keßler-Rosa betonte noch einmal, dass es sich um eine gemeinsame Aktion von Diakonie und Kirchengemeinde gehandelt habe. Zutiefst nachhaltig habe ihn berührt und zugleich überrascht, dass einerseits viele Menschen ihre Freude und Sehnsucht, mit anderen im Rahmen einer Kirche zusammen zu sein, zum Ausdruck gebracht hätten. Andererseits habe er mit Schrecken feststellen müssen, „wie viele Leute froh und dankbar sind, für ein so geringes Geld eine warme Mahlzeit zu bekommen.“ „Es hat gut getan. Wir haben unglaublich vielen Menschen Gutes getan.“ Und ganz euphorisch: „Wir haben ein diakonisch-kirchliches Gesamtkunstwerk geschaffen.“
Als letzter Redner zeichnete Dekan Oliver Bruckmann noch einmal die Genese der Vesperkirche nach – von den allerersten Anfängen, als eine Befragung von aus der Kirche Ausgetretenen ausgewertet wurde. Dabei sei mehrfach als Austrittsgrund genannt worden, dass sich Kirche zu wenig um Werte, speziell um Gerechtigkeit, kümmere. Offenbar brächten eben viele diakonisches Handeln nicht mit Kirche zusammen. Deswegen habe er – der Dekan – nach einem Kooperationsprojekt Ausschau gehalten und sei – wie es sich denn so fügte – auf die Vesperkirche aufmerksam geworden. Als dieses Projekt seitens der Landeskirche zur Ausschreibung kam, habe sich St. Johannis beworben und unter mehreren anderen Bewerbungen den Zuschlag erhalten.
So sei denn die erste Vesperkirche auf bayerischem Boden nach Schweinfurt gekommen, vom 18 Januar bis zum 8. Februar 2015, und die Teilhabe voll gelungen: „Niemand musste draußen bleiben. Aber“ – und darauf warteten natürlich die Ehrenamtlichen – „ohne die vielen lieben, fleißigen Menschen, die Gastgeberinnen und Gastgeber, wäre es nicht gegangen. Das sind Sie alle!“ Applaus.
Das Ganze hat immerhin an die 100.000 Euro gekostet hat, (nur) noch 10.000 Euro stehen zwecks Deckung der Auslagen aus - diesen geselligen, „gastfreundlichen“, festlichen Abend bereits mit eingerechnet. Am kalten Buffet fehlte es wirklich an nichts, nur dass eben bei fast 200 Menschen der Selfservice eine gewisse Zeit in Anspruch nahm, doch die hatte man schließlich mitgebracht. Zudem regelte Diakon Norbert Holzheid, wie schon bei der Vesperkirche, souverän den Verkehr.
Nach der Sättigung wurden alle mit einer Fotoschau beglückt, vom Mitorganisator Uwe Kraus vom Diakonischen Werk zusammengestellt. Jede und jeder fand sich irgendwann im Bild festgehalten wieder und freute sich darüber.
„Bis Januar 2016“ – hatte übrigens der Dekan am Ende gewünscht. Ist doch selbstverständlich oder? Wer möchte denn im kommenden Jahr nicht wieder im Bilde sein …