DGB und Kirchen für Mindestlohn und freien Sonntag

(aus: "Mainpost" vom 18.06.08; überarbeitet von Frank Firsching)

BAD KISSINGEN, 17.06.2008. Gewerkschaften und kirchliche Arbeitnehmer-Organisationen üben den Schulterschluss: Im Mittelpunkt der konzertierten Aktionen stehen der arbeitsfreie Sonntag und der Mindestlohn. Konkretisiert wurden diese Themenbereiche bei einer Informations- und Diskussionsveranstaltung im evangelischen Gemeindehaus in Bad Kissingen und im Pfarrheim von Knetzgau einen Tag später.


„Der Sonntag gehört dem Menschen und nicht der Wirtschaft“, fordert Evi Pohl als Vertreterin des Kirchlichen Dienstes in der Arbeitswelt und der Aktionsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen, beides in der evangelisch-lutherischen Kirche in Bayern integriert. Sie sprach damit gleichzeitig für Peter Hartlaub, der als Betriebsseelsorger die Katholische Arbeiterbewegung bei der Veranstaltung vertrat und denselben Sachverhalt so ausdrückte: „Der Sonntag dient der Schöpfung, nicht der Wertschöpfung.“
Der Schulterschluss entstand durch Frank Firsching, dem DGB-Regionsvorsitzenden aus Schweinfurt, der die Ausführungen zum arbeitsfreien Sonntag ergänzte und seinerseits über das Volksbegehren zum Mindestlohn in Bayern informierte.
Seit einem Jahr gibt es die „Allianz für den freien Sonntag Main-Rhön“, eine von 25 Allianzen bayernweit, in der sich die kirchlichen Verbände und die Gewerkschaften für „den arbeitsfreien Sonntag als Grundwert unserer Gesellschaft“ einsetzen, so Pohl vor einem Dutzend engagierter Multiplikatoren und mit Bezug auf den Artikel 140 Grundgesetz. Für sie ist der Sonntag stark gefährdet, weil es zu viele Ausnahmegenehmigungen gibt.
Dabei sei die Allianz nicht gegen die sonntäglich notwendige Arbeit wie in Krankenhäusern oder bei der Polizei, sondern gegen die „Vermarktung des Sonntags“. In einer Statistik aus dem Jahre 1991 wurde ein Anteil von 17 Prozent Sonntagsarbeitern festgestellt. Aktuell sind es 28 Prozent im Vergleich zu allen Arbeitnehmern, wobei vor allem der Einzelhandel diesen Anstieg verursacht. Markantes Beispiel für diesen Bereich war die Debatte um die Öffnung von Blumengeschäften am Muttertag, die in einigen Regionen mit dem Paragrafen 23 Ladenschlussgesetz begründet wurde – als Ausnahme in Notlagen, wie z.B. einer Flutkatastrophe und dadurch verursachten Versorgungsengpässen.
Eine Ursache für die stärkere Arbeitsbelastung an Sonntagen sah Betriebsseelsorger Peter Hartlaub in der Verlagerung der Kompetenz nach unten, wobei „der Dreisteste das Tempo vorgibt“. Dies merke man vor allem an den Ländergrenzen, wo es an Feiertagen zu regelrechtem Einkaufs-Tourismus komme.
Auch die Ausweitung der Ladenöffnungszeiten führe nicht zu mehr Umsatz, sondern zu Umsatzverlagerungen zu Lasten der kleineren Betriebe. Dass die Kirche dazu nicht schweige, belege eine Verfassungsklage der Kirchen in Berlin gegen sonntägliche Öffnungszeiten.
Doch auch von der Kanzel könne und sollte man mehr machen, so ein Diskussionsbeitrag. Denn letztlich würde eine weitere Ausweitung der sonntäglichen Arbeit gravierende Veränderungen mit sich bringen – die Fußballvereine würden es genauso spüren wie caritative Einrichtungen.
Ziele des Bündnisses seien den Sonntag als gemeinsamen arbeitsfreien Tag zu erhalten, die Ermöglichung einer effektiven Kontrolle einer bundeseinheitlichen Regelung, so Hartlaub.

Das „BayMiLoG“, das Bayerische Mindestlohngesetz, ist Ziel eines Volksbegehrens, das der DGB Bayern initiiert und das kirchliche Organisationen mittragen. Firsching erläuterte die Hintergründe hierzu, die sich abseits des Beschäftigungsbooms mit einem Höchststand an Arbeitsplätzen abspielen. Dieser Boom existiere sowieso nur bei den „prekären Beschäftigungsverhältnissen“, also bei befristeten Anstellungen, Mini- beziehungsweise Midi-Jobs, Teilzeitverträgen oder Leiharbeitern.
Mittlerweile gibt es 6,5 Millionen Arbeitnehmer im so genannten Niedriglohn-Sektor, dies entspricht 22 Prozent als Beschäftigungsverhältnisse und wird definiert durch ein Einkommen, das Zweidrittel des Durchschnittslohns von 2500 Euro entspricht. Von diesen 6,5 Millionen erhalten wiederum 2,5 Millionen Arbeitnehmer einen „Armutslohn“, also nur 50 Prozent des Durchschnittslohnes. Gerade in diesem Segment würde sich ein Mindeststundenlohn von 7,50 Euro auf den späteren Rentenanspruch beziehungsweise auf die Sozialkassen auswirken.
In dem vorgestellten Gesetzestext des DGB-Bayern sei jedoch kein fester Betrag vorgegeben, sondern der Mindestlohn als „Existenz sichernd“ umschrieben. Was das heißt ist für Firsching auch klar: „Unter 8 €/ Stunde geht da gar nichts!“ Die Höhe des Mindestlohns soll jährlich durch eine Kommission festgelegt werden. Darüber hinaus ist eine Pflicht zur Zahlung des Mindestlohns festgeschrieben und zwar als „unverfallbarer Anspruch“.
Firsching erläuterte die Vorgehensweise und den Ablauf des Volksbegehrens, wobei die anfangs erforderlichen 25 000 Unterschriften von bayerischen Wahlberechtigten kein Problem sein dürfte.

Anschließend wird das Volksbegehren beim Innenministerium eingereicht. Dort wird die Rechtmäßigkeit geprüft und möglicherweise der bayerische Verfassungsgerichtshof eingeschaltet. An dieser Stelle sieht der DGB- Vorsitzende allerdings kein Problem: „Die Möglichkeit einen bayerischen Mindestlohn einzusetzen, lässt die bayerische Verfassung ausdrücklich zu. Im Artikel 169 ist dem Mindestlohn sogar Verfassungsrang eingeräumt.“

Sind diese Formalitäten genommen, gibt es „einen riesigen Berg zu erklimmen“. Innerhalb von zwei Wochen müssen sich 10%, also ca. 950 000 Wahlberechtigte in ihren Gemeinden in sogenannte Unterstützerlisten eintragen um einen Volksentscheid möglich zu machen. Auf diese Aufgabe wird sich der DGB Bayern konzentrieren, damit „in Bayern mal wieder das gemacht wird, was die Bevölkerung will“, so Firsching. Gemäß einer aktuellen Umfrage sind nämlich 80% der Bevölkerung für einen Mindestlohn.